Ist Beten gesund?

Kathrin Wüffert ist Prädikantin und Mitarbeiterin in der Evangelischen Klinikseelsorge im Universitätsklinikum Augsburg. Im Gespräch mit Patienten und Angehörigen versucht sie, ein offenes Ohr zu schenken. Zuhören bedeutet für sie dabei vor allem, aufmerksam zu sein und auf die ganz speziellen Anliegen der Menschen einzugehen. 

Wenn Ihnen das Beten eher fremd ist: Haben Sie ab und an das Gefühl, dass Sie gerne beten würden? Wenn Sie gerne beten: Was würde Ihnen fehlen an einem Tag ohne Gebet? Erinnern Sie sich an Ihr letztes Stoßgebet? Was passiert eigentlich, wenn wir beten?

»Oh Gott, hoffentlich geht das gut«: ein ganz spontaner Gedanke. So oder so ähn­lich kommt uns dieser Satz oft unbewusst über die Lippen oder in den Sinn und reduziert im selben Moment unsere An­spannung – auch wenn wir uns dabei selten vorstellen, dass der angesprochene Gott diesen Satz wirklich hört. So ein »Stoßgebet« kennen oder nutzen viele Menschen.

Die Menschen hingegen, für die Beten selbstverständlich zum Tagesablauf gehört, mit Morgen-, Mittags-und Abendgebet, werden immer weniger. Das Gebet ist für viele das Letzte, was ihnen in den Sinn kommt. Und dann sagen sie in scheinbar aussichtslosen Situationen: »Jetzt hilft nur noch Beten!« Wenn es denn stimmt, dass Beten hilft, dann könnte es doch richtig viel Sinn machen, das Gebet an den Anfang zu stellen und es nicht als letzten Ausweg zu betrachten. Ich kann Sie nur ermu­tigen, sich »von Anfang an« mit einem Gebet Gutes zu tun.

Vermutlich kennen Sie auch die Redewendung »Jemanden ins Gebet nehmen«. Das ist im Grunde genommen eine sehr schöne Formulierung. Jemanden ins Gebet nehmen, heißt nämlich nicht, die Leviten zu lesen oder zu schimpfen. Jemanden ins Gebet nehmen meint: Mich mit diesem Menschen zusammen vor einem Gott zu wissen, für ihn einzutreten, an seiner Seite zu bleiben. Andere ins Gebet zu nehmen, könnte heißen, dass wir darüber nachdenken, wie es ihnen geht und was sie brauchen. Es könnte heißen, dass wir uns überlegen, was geschehen müsste und was wir für diesen Menschen tun könnten. Jemanden ins Gebet nehmen könnte damit enden, dass dem anderen gelingt, was er sich vor­genommen hat, und dass es uns gelingt, dass wir ihm helfen können. Das ver­bindet. Das hat Auswirkungen auf alle Beteiligten.

Wer für andere bittet und dankt, dessen Beziehung zu diesen Menschen wird sich verändern. Erinnern Sie sich doch einmal daran, wie wohltuend es ist, wenn einem gesagt wird: »Wir haben an dich gedacht. Wir haben uns so sehr für dich gefreut.« Es hilft, wenn man weiß: Da denkt einer an mich und wünscht mir Gutes. Das gibt Kraft.

Ich weiß, dass beten keine Heilung garan­tiert, aber ich bin überzeugt, dass beten gesund ist.

Dieser Artikel erschien zu erst in der Ausgabe 2/2023 des Gesundheitsmagazins "GESUNDHEIT ganz groß". Die gesamte Ausgabe finden Sie als PDF-Datei zum nachlesen hier: Ausgabe 2/2023.